Tradition seit 1929 – 95 Jahre im Überblick
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um 1898/99 Erste italienische Gastarbeiter für die Spinnerei und Weberei bringen das Boccia-Spiel nach Offenburg 1929, (11. Juli) Gründung als Boccia-Club Offenburg/Baden e.V. (Kronenwiese) unter Vorsitz von Josef Sator1933, 18. November Auflösung des Boccia-Club Offenburg/Baden e.V. durch die NSDAP (Gleichschaltungsgesetz) 1945, 15. Februar Amerikanische Fliegerbomben zerstören das Gasthaus „Krone“ und die angrenzenden Wirtschaftsgebäude 1945 - 1949 Das Gasthaus „Krone“ wird von der französischen Militärkommandantur als Unteroffizierskasino genutzt 1948, 19. Dezember Wiedergründung und Zulassung des Boccia-Club Offenburg/Baden e.V. durch die französische Militärkommandantur 1949 Wiedereröffnung des Gasthauses „Krone“. Die Wagner-Brauerei (Eigentümerin) sowie die Pächterin stellen hinter dem Gasthaus eine geeignete Fläche für den Bau einer Boccia-Bahn kostenlos zur Verfügung 1949 Einweihung einer ersten Boccia-Bahn hinter dem Gasthaus "Krone" 1950 er JahreErste Planungsanalysen zum städtebaulichen Umgestaltungskonzeptes der Kinzigvorstadt erreichen den Boccia-Club Offenburg/Baden e.V. 1957 Der Boccia-Club Offenburg/Baden e.V. gewinnt den Boccia-Wanderpreispokal der Wagner-Brauerei Offenburg 1976, 15. Dezember Um 08:30 Uhr wird das Gasthaus „Krone“ abgerissen 1981, 10. Dezember Die Wagner-Brauerei Offenburg kündigt den Pachtvertrag für das Gelände „Kronengarten“ an der Fischerstraße 1982, 31. März Der Boccia-Club Offenburg/Baden e.V. verlässt das Gelände „Kronengarten“ an der Fischerstraße 1982, Oktober Der Boccia-Club Offenburg/Baden e.V. erhält das westliche Gelände am südlichen Mühlbach (Flst-Nr. 2624) von der Minigolf-Anlage im Bürgerpark in der Stegermattstraße 30 1983, 01. Januar Der Pachtvertrag für das Gelände am südlichen Mühlbach mit der Stadt Offenburg wird unterzeichnet 1983, 31. Januar Baufreigabe für den Neubau eines Vereinsheims (geplante Gesamtbaukosten ca. 55 Tausend Mark) 1983, September Einweihung und Eröffnung der neuen Boccia-Anlage am südlichen Mühlbach in der Stegermattstraße 30 unter Beisein von OB Martin Grüber 1984, 02. Januar Baufreigabe für einen Erweiterungsbau am Vereinsheim (Lager) 1984, 06. November Baufreigabe für eine Überdachung der Boccia-Bahn 1985, April Einweihung einer zweiten Boccia-Spielbahn (4 x 22 Meter) mit Überdachung 2006, 02. Mai Änderung der Vereinsbezeichnung in „1. Boccia-Club e.V. Offenburg“ mit Eintragung in das Vereinsregister 2013/14 Sanierung der Boccia-Hauptspielbahn 2019, 07. September 90-jähriges Vereinsjubiläum (11. Juli 1929) 2022, Februar/März Errichtung einer Boule-Bahn 2022, Frühjahr Gründung einer (neuen) Frauen-Bocciagruppe 2024, 26. Oktober 95-jähriges Vereinsjubiläum (11. Juli 1929) * Update: 04. Mai 25 – Copyright Sven Steppat
Boccia – wurde von südeuropäischen Zuwanderern bereits vor der Jahrhundertwende ins Deutsche Kaiserreich eingeführt. Durch den Eisenbahnbau entwickelte sich Offenburg zum Verkehrsknotenpunkt der Großherzoglich-Badischen Staatseisenbahn entlang der Eisenbahnstrecke Mannheim – Basel sowie zu einem attraktiven Standort für zahlreiche Industriebetriebe. Neben Leder- und Tabakfabriken etablierten sich dort auch Spinnereien und Webereien.
Die im Jahre 1857 gegründete Spinnerei- und Weberei-Aktiengesellschaft in Offenburg begann erstmals im Jahre 1898 damit, ihren akuten Arbeitskräftemangel durch die Anwerbung von tirolisch-italienischem Personal zu lösen. Diese Angeworbenen stammten größtenteils aus norditalienischen Regionen, waren hauptsächlich Kolonisten auf der Suche nach einer neuen Heimat in Offenburg und wurden vor allem für die Produktion von Garnen und Tuchen eingesetzt.
In den nächsten Jahren arbeiteten auch italienische Männer in der Spinnerei und Weberei AG. In der Kronenstraße entstanden große Werkswohnungsblöcke für die Gastarbeiter. In den Wohnungen dieser Arbeitersiedlung fand man oft Boccia-Kugeln, mit denen sie sich nach Feierabend und am Sonntag auf dem freien Gelände um das ehemalige Holz-Feuerwehrhaus auf der Kronenwiese vergnügten. Schlachtrufe wie „Punto“, „Volo“ oder „Raffa“ zeugten von ihrer italienischen Herkunft. Es waren unter ihnen wahre Meister, die selbst auf weite Distanz mit tödlicher Treffsicherheit eine „Caramella“ anbrachten. Diesen Menschen verdanken wir die Entstehung unseres heutigen 1. Boccia-Club e.V. Offenburg. Die Vielzahl ihrer Namen fiehl der Vergessenheit zum Opfer, aber einige leben in der Geschichte des Vereins und in dankbarer Erinnerung weiter.
Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges am 28. Juli 1914 endete vorerst die Ära der Bocciaromantik in der Kinzigvorstadt und wurde von den Auswirkungen des Krieges überrollt. Die Mehrheit der italienischen Bewohner kehrten aufgrund ihrer Einberufung zum Militärdienst oder aus Sorge um eine mögliche Verhinderung ihrer Rückkehr unverzüglich nach Italien zurück. Ihre Anzahl im Deutschen Kaiserreich nahm bis 1918 drastisch ab.
Die politische Umstrukturierung der deutschen Gebiete nach dem Ersten Weltkrieg stellte die neue Reichsregierung vor Herausforderungen bei der Anwerbung neuer ausländischer Arbeitskräfte. Wie üblich nach Kriegen waren Vertreibungen und Fluchtbewegungen weit verbreitet. Infolge der Gebietsabtretungen des Deutschen Reiches gemäß den Bestimmungen des Versailler Vertrags kamen über eine Million Menschen in das wirtschaftlich, politisch und psychologisch belastete Land. Darüber hinaus war die Zeit der Weimarer Republik von einem zunehmenden Kontrollanspruch geprägt.
Als italienische Bauexperten ins Deutsche Reich kamen, breitete sich ihr Nationalsport schnell wieder aus. Sie bildeten oft regionale Gruppen und sprachen meist nur ihren Dialekt. Der Zusammenhalt in diesen Gruppen war jedoch stark. Viele heirateten deutsche Frauen und ließen sich dauerhaft nieder.
Im Zuge der Weltwirtschaftskrise, die zu einer hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland führte, wurde im Jahre 1929 (das genaue Gründungsdatum am 11. Juli ist nicht eindeutig belegt) der Boccia-Club Offenburg/Baden e.V. gegründet. Zu den Wegbereitern zählten die Gründungsmitglieder Silvio Zorzi, Paul Tschann, Peter Turri sen., sein Sohn David Turri und Josef Sator als erster Vorstand des Vereins im Gründungsjahr.
Die Darstellung unmittelbar nach Gründung des Vereins zeigte die ernste Situation innerhalb des frisch gegründeten Vereins und angesichts der zunehmenden Radikalisierung des politischen Klimas. Anfänglich wurde sogar versucht mit Steine zu werfen, bis schließlich alte Boccia-Kugeln auftauchen. Das „Kugelspiel“ erlangte rasch Beliebtheit unter den Bürgern von Offenburg und gewann auch in anderen Stadtteilen Freunde, die bis dahin lediglich neugierige Beobachter auf der Kronenwiese waren.
* Update: 04. Mai 25 – Copyright Sven Steppat
Am 30. Januar 1933 übernahmen die Nationalsozialisten die Macht und führten das Gleichschaltungsgesetz ein, was zur Folge hatte, dass alle Vereine, die nicht zur Wehrertüchtigung beitrugen, verboten wurden. Von nun an standen alle Vereine im Dienst der nationalsozialistischen Ideologie. Dies hatte schwerwiegende Auswirkungen auf die Organisationsstruktur der Sportvereine und löste eine Phase der Unsicherheit aus. Alle Sportvereine wurden nun von einer einzigen Partei kontrolliert.
Am Morgen des 06. März 1933 um 06:34 Uhr wurde in Offenburg erstmals die Hakenkreuzfahne über dem Rathaus gehisst und damit auch dort die Gleichschaltung durchgeführt. Die Auswirkungen des Gesetzes belasteten das sportliche und gesellschaftliche Klima stark. Am *18. November 1933 traf es auch unseren Verein: Beamte der Kriminalpolizei Offenburg kamen auf den Boccia-Platz auf der Kronenwiese, um ihre Maßnahmen mit dem „Abtransportieren der Spielkugeln“ nachzugehen. Da der Sack für die Kugeln aber geschickt versteckt wurde, mußten die Beamten die Kugeln mit den Händen forttragen. Die Bocciaromantik in der Kinzigvorstadt endetet abermals und wurde von den Auswirkungen der politische Umstrukturierung eingeholt.
* [Am 18. November 1933 erfolgte höchstwahrscheinlich die Auflösung des Boccia-Club Offenburg/Baden e.V., da der als „bürgerlich“ bezeichnete Verein nicht seiner politischen Gesinnung zum Opfer fiel, sondern den Umständen der aufkommenden nationalsozialistischen Ära. Im Gasthaus Krone trafen sich neben den Boccia-Spielern auch Mitglieder des damaligen Schachklubs, ebenso Vertreter eines Arbeiter-Turnvereines aus Offenburg (gemeint ist hier nicht der Turnverein von 1846). Dieser Arbeiter-Turnverein war als „Nest von Kommunisten“ bekannt und wurde von den Nationalsozialisten sofort aufgelöst. In diesem Zusammenhang traf es vermutlich auch den Boccia-Club Offenburg/Baden e.V.]
In unmittelbarer Nähe der Kinzigbrücke wurden am Abend des 15. Februar 1945 Teile des Gasthauses Krone sowie angrenzende Stallungen durch amerikanische Fliegerbomben getroffen, die bei zwei Angriffen von Jagdgeschwadern einschlugen. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, an dem zahlreiche Einberufungen zum Wehrdienst das städtische Leben bereits stark beeinträchtigten. Begleitet von präzisen Luftangriffen um jeweils 07:00 Uhr morgens aus westlicher Richtung kommend, hatten sie es besonders auf die zwei Kinzigbrücken abgesehen.
„Das Feuer rückte immer näher heran.“ Am Abend vor dem 15. April 1945 erhielten die Angehörigen der Hitlerjugend Karabiner, Handgranaten und Panzerfäuste. Der Volkssturm setzte sich mit aller Kraft zur Wehr. Von Ortenberg aus beschoß die deutsche Artillerie die Stadt Offenburg, um den Vormarsch der Franzosen zu verhindern. Die letzten Kriegsstunden zeigten teilweise heftigen Widerstand von Truppen der Wehrmacht (AOK 19 = Armeeoberkommando 19). Die NS-Propaganda forderte bis zum Schluß die Bevölkerung zur Standhaftigkeit auf. In Offenburg wurde seit einigen Tagen auf den Einmarsch der alliierten Streitkräfte gewartet. Die Bevölkerung hegte die Erwartung, daß eher amerikanische Truppen als französische Einheiten die Stadt besetzen würden.
Als die französischen Truppen eintrafen, erinnerten sich viele an die harte Zeit unter der strengen französischen Besatzung in Offenburg von Januar 1923 bis August 1924. Am Sonntag dem 15. April 1945 übernahmen Einheiten des 9. (23.) Französischen Kolonial-Infanterie-Regiments (Panzereinheit) kampflos unsere Stadt – mehr als drei Wochen vor Deutschlands endgültiger Kapitulation. Um 16:00 Uhr übergab Ratschreiber Hermann Isenmann die Kontrolle an die neuen Besatzer.
* Update: 04. Mai 25 – Copyright Sven Steppat
Am 15. April 1945 rückte das 9. Französische Kolonial-Infanterie-Regiment mit einer Flotte von vierzig Panzern ohne Widerstand in unsere Stadt ein, während sie gleichzeitig über die Okenstraße aus den Richtungen Griesheim und Appenweier ins Zentrum vordrangen. Die Bewohner waren besorgt über die Zukunft, da sie sich an die harte französische Besatzung von 1923 erinnerten. Als es hieß, „die Franzosen kommen“, hatten alte Leute, Kinder und Frauen in den Kellern „gebetet und geplärrt“. Der Volkssturm hatte am Stadtbuckel noch einen Eisenbahn-Waggon platziert, aber der eigentliche Plan sei gewesen, die Franzosen in Ortenberg aufzuhalten.
Durch die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht am 08. Mai 1945 wurde der Krieg auf deutschem Boden endgültig beendet. Die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs führten auch in Offenburg zu Leid und Entbehrungen. Wenn wir besondere Anerkennung für organisatorische und sportliche Leistungen im Verlauf unserer Vereinsgeschichte aussprechen möchten, so muß insbesondere die Zeit des Wiederaufbaus hervorgehoben werden.
Viele Sportfreunde waren entweder gefallen, vermisst, in Gefangenschaft oder schwer verwundet. Überall herrschten Hunger, Armut und Hoffnungslosigkeit. In dieser Zeit dachte kaum jemand an Sport. Auch der Boccia-Club Offenburg/Baden e.V. war von den Nachkriegsjahren stark gezeichnet. Zunächst blieb der Verein verboten, nachdem er bereits am 18. November 1933 durch die NSDAP aufgelöst wurde. Gemäß den Bestimmungen der Verordnung Nr. 33 vom 04. Februar 1946 und der Anordnung Nr. 40 vom selben Datum untersagte die französische Militärkommandantur weiterhin sämtliche Sportvereine in der Stadt.
Direkt nach dem Krieg und während der allmählichen Normalisierung des Lebens ergriffen die Wirte Pfeifle mit großem Engagement die Initiative zum Wiederaufbau des teilweise zerstörten Gasthauses Krone. Vorübergehend diente das Gasthaus den Franzosen als Unteroffizierskasino. Als Eigentümerin stellte die Wagner-Brauerei gemeinsam mit der Pächterin dem Boccia-Club kostenfrei ein Grundstück hinter dem Gasthaus zur Verfügung. Dort wurde eine neue Boccia-Anlage errichtet. Bis zum Frühjahr 1948 gestalteten die Mitglieder den freien Platz an der Fischerstraße aus, wobei zunächst unter fachkundiger Anleitung von David Turri eine Boccia-Sandbahn entstand.
Die Spielstätte hatte sich nun in den „Kronengarten“ an der Fischerstraße verlagert. Seit dem Jahre 1929 führten die Wirtsleute Georg und Anna Pfeifle das angesehene Gasthaus der Wagner-Brauerei am Stadteingang von Offenburg. In einem späteren Zeitpunkt übernahm Tochter Lore Pfeifle die Leitung des Lokals. Es diente als Sinnbild vergangener Zeiten, als Gemütlichkeit noch ein fester Bestandteil des bürgerlichen Alltags war. Das Gasthaus fungierte als Verbindungsglied zwischen Stadt und Land, gelegen in direkter Nähe zur Kronenwiese sowie zur Landwirtschaftlichen Halle.
Am 20. September 1948 ging ein schriftliches Gesuch zur Wiedergründung des Boccia-Club Offenburg/Baden e.V. bei der Militärregierung ein. Hauptbestandteile des Schreibens vom Bürgermeisteramt Offenburg waren: Antrag auf Wiedergründung, eine Liste der Gründungsmitglieder und der Statutenentwurf. Ferner je drei Bescheinigungen über die politische Säuberung und polizeiliche Führungszeugnisse sowie Bescheinigungen, daß über die moralische Führung der Gründungsmitglieder nichts Nachteiliges bekannt sei.
Eine für den 26. September 1948 geplante Wiedergründerversammlung im Gasthaus „Zauberflöte“ fand nicht statt, da die bei der Stadtverwaltung Offenburg eingereichten Unterlagen an die höhere Delegation in Freiburg zu deren Prüfung über die „Genehmigung zur Wiedergründung des Boccia-Club Offenburg/Baden e.V.“ noch nicht vorlag. Somit fand die Wiedergründungsversammlung erst am 19. Dezember 1948 im Gasthaus „Alte Pfalz“ statt und der Verein konnte langsam wiederbelebt und betrieben werden. Die erste Vereinsführung nach der Wiedergründung setzte sich zusammen: Josef Maier (1. Vorstand), Fritz Kiefer (2. Vorstand), Rudolf Hoffmann (Hauptkassierer), Albert Piuma (Schriftführer), Emil Seebacher (Platzkassierer), Johann Zander (Platzwart) sowie den beiden Beisitzern Ludwig Noriller und Josef Schley.
Schon in den 50ern bekam der Boccia-Club Offenburg/Baden e.V. von der Stadt einen ersten Entwurf für das Umbauprojekt in der Kinzigvorstadt. Daher machte sich das Vereinsführung unter Albert Piuma und später Franz Schneider früh auf die Suche nach neuen Standorten und betrachtete verschiedene Optionen: Ein Grundstück neben dem Gasthaus „Salmen“ (Angelgasse), rechts vom Schlachthof „Am unteren Mühlbach“, bei der „Seilerei Österle“ in Kronenstraße (heute Burda Druckerei) oder eine kommunale Fläche im Bereich „Untere Bannbösch“ (ehemaliger Sportplatz SV Stergmatt).
Im „Kronengarten“ fanden jedes Jahr große Turniere des Vereins statt: das Osterpreisturnier, die Königsspiele sowie das Nicco-Turri-Gedächtnisturnier. Doch allmählich beschäftigte sich eine zunehmende Zahl an Mitgliedern mit der besorgniserregenden Frage, wie lange sie ihre traditionelle Anlage weiterhin nutzen könnten. Die Stadtplaner hatten bereits Maßnahmen ergriffen und ein ruhiges Gebiet am Mühlbach vorgesehen. In den Siebzigern gab es sogar Spekulationen über einen möglichen Neubau der „Krone“, ganz in der Nähe des alten Standorts. Erste Entwürfe stammten von Fritz Weis und Wilhelm Schäfer, doch diese Ideen wurden schnell vehement abgelehnt.
* Update: 18. Mai 25 – Copyright Sven Steppat
Der Bauwahn in den siebziger und achtziger Jahren machte auch vor der Kinzigvorstadt nicht Halt. Aufgrund des Umbaus der Hauptstraße sowie des neuen Plans für „Kinzigvorstadt-Wiede“ verkaufte die Wagner-Brauerei ihr Gasthaus „Krone“ an die Stadt Offenburg, welche am Morgen des 15. Dezember 1976 um halb neun mit dem Abriss des beliebten Wirtshauses begann. Nach einer Existenz von über einem Jahrhundert wurde das im Jahr 1792 errichtete Gebäude binnen weniger Stunden von Baggern zu Trümmern verarbeitet.
Die Wagner Brauerei hatte lange Zeit um das Überleben ihres Gasthaus „Krone“ gekämpft, doch aufgrund des wachsenden Verkehrs und einer Umgestaltung der Stadteinfahrt war ein Abbruch notwendig geworden. Die Mitglieder nutzten weiterhin über fünf Jahre den „Kronengarten“ und trafen sich anschließend in ihrem neuen Vereinslokal im „Salmen“ (Hauptstraße). Am 10. Dezember 1981 teilte die Wagner-Brauerei dem Boccia-Club Offenburg/Baden e.V. mit, daß dieser das Gelände an der Fischerstraße zum 31. März 1982 nicht länger kostenlos nutzen durfte.
Nach dem Eingang des Kündigungsschreibens im Dezember 1981 fanden erste Gespräche mit der Offenburger Stadtverwaltung über die Zuweisung eines neuen Spielplatzes statt. Als Ersatz für die „weggeplante“ Boccia-Anlage an der Fischerstraße erhielt der Verein das westliche Stück vom Gelände (Flst-Nr. 2624) der bereits bestehenden Minigolf-Anlage im Bürgerpark. Der Verkehrsverein Offenburg e.V. erklärte sich im Oktober 1982 bereit und stellte von seinem als Minigolf-Anlage genutzten städtischen Pachtgelände ein ausreichend großes Areal von ca. 750 Quadratmetern dem Boccia-Club Offenburg/Baden e.V. zur Verfügung.
Im Laufe der Jahre verschwand nicht nur das Boccia aus der Kinzigvorstadt, auch die alte Infrastruktur, Jahrmärkte auf der Kronenwiese, Lebensmittelgeschäfte, Metzger Wehrle, Kurzwaren Knobloch, die Bäcker Hillenbrand und Ohnemus, der Milchladen Spinner, die Gasthäuser „Krone, Schwanen, Wiede und Grüner Baum“ wurden für die Anwohner weggeplant – um nur einige zu nennen.
Am Mühlbach an der Stegermattstraße blüht seit Anfang der achtziger Jahre eine lebendige Vereinsgemeinschaft. Früher gehörte dieses flache Grundstück zur Dampf-Wäscherei Alois Ilg. Man geht noch heute davon aus, daß dort vor Erfindung moderner Waschmaschinen mit Brett, Bürste und Aschenlauge gewaschen wurde und die bleichende Wäsche zum Trocknen auf den Rasen gelegt wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg ließ die Stadt Offenburg auch das Sonnen- und Flußbad für Frauen sowie das benachbarte Schülerbad abreißen. Die Treppen vom ehemaligen „Bad im Schleiergrün“ sind jedoch nach wie vor vorhanden.
Zu Beginn war auf dem neu gepachteten Grundstück nichts vorhanden. Kurz gesagt: Die Mitglieder des Vereins umschlossen das Gelände neben der bereits vorhandenen Minigolf-Anlage im Bürgerpark, errichten in kurzer Zeit ihre erste Boccia-Bahn von „vier mal achtzehn Metern“ Größe sowie ein stabiles Steinbauwerk für ihre Vereinsaktivitäten inklusive eines Ausschankbereichs und kleiner Lagerräume. Ludwig „Louis“ Fischer, ein Bauunternehmer aus Offenburg, stellt hierfür notwendige Transport- und Bautechniken sowie Materialien bereit. Im März 83 genehmigt der Verkehrsverein Offenburg e.V. die vorübergehende Toilettenanlagen-Nutzung auf dem Minigolfgelände. Gleichzeitig erkannte die Offenburger Stadtverwaltung an, daß es erforderlich sei, nach baurechtlichen Vorgaben eine eigene Toilettenanlage innerhalb des Boccia-Vereinsheims einzurichten.
Bereits im September 1983 wurde die neue Boccia-Anlage – gemeinsam mit Vertretern aus Offenburg und nach kurzer Bauzeit! – feierlich vom Verein eingeweiht. Die Kosten für das Vereinsheim und die erste Boccia-Bahn lagen bei etwa 63.000 Mark. Mit dem neuen Pachtvertrag ab dem 01. Januar 1983 darf jetzt sogar eine interne Kantine betrieben werden. So gibt es nicht nur Drinks sondern auch kleine Snacks für alle Mitglieder. Da es jedoch an Lagerplatz mangelt, hatte man 1984 einen zusätzlichen Raum angebaut – inklusive Kühlung – um bessere Lagermöglichkeiten zu haben. Außerdem kam noch ein Platz zur Aufbewahrung von Werkzeugen dazu.
Bereits Ende 1983 markierte ein bedeutender Schritt für den Verein den Beschluß zur Planung eines Neubaus einer weiteren Boccia-Bahn. Aufgrund des kontinuierlichen Anstiegs an Mitgliedern war es notwendig geworden, über nur eine Bahn hinauszudenken im Sinne eines zukunftsgerichteten Vereinskonzepts. Der Vorsitzende Werner Lott – beruflich als Betonprüfer bei TBM Transportbeton in Elgersweier tätig – sowie ein befreundeter Bautechniker arbeiten an zukünftigen Vorhaben zusammen.
Zu Beginn wurde bis zu einem Meter Grunderde abgetragen. Danach folgten verschiedene Materialien wie Verdichtungssubstanzen sowie Kies und Sand bevor schließlich eine dünne Oberflächenschicht aufgebracht wurde. Dieser kam vom „Großen Deich“, wo Hochwasser immer wieder feinsten Sand ans linke Kinzig-Ufer spülte. Dachdeckermeister Paul Zimmermann sorgt dafür, daß dieser hochwertige Feinsand mit mehreren Fahrten zur Baustelle in die Stegermattstraße gebracht wurde. Diese letzte Schicht verlieh der neuen Boccia-Bahn ihren besonderen Schliff.
Um sicherzustellen, daß diese Aktivität über einen langen Zeitraum hinweg bestehen bleibt und auch den kommenden Generationen zugutekommt, entschied sich der Verein dazu, ein Dach über die neue Boccia-Bahn zu errichten. Die Mitglieder – insbesondere Hans Spitzmüller, August Ludäscher und Willi Kiefer – leisteten einen großen Beitrag in Form von Arbeitsstunden und Engagement zur Schaffung dieser neuen Spielbahn. Dank des fleißigen Einsatzes aller Mitglieder erhielt die Boccia-Bahn im Jahr 1985 eine Überdachung. Nach vielen Stunden gemeinsamer Anstrengungen wurde dieses Ziel pünktlich zum Osterturnier am Wochenende des 06./07. April erreicht.
Am 02. Mai 2006 entschieden die Mitglieder des Vereins während ihrer jährlichen Mitgliederversammlung, den Namen des Vereins in 1. Boccia-Club e.V. Offenburg zu ändern und diesen im Vereinsregister Freiburg (VR470114) eintragen zu lassen. Der Boccia-Club führt regelmäßig vereinseigene Turniere durch und war zudem Gastgeber der offenen Boccia-Stadtmeisterschaft für Damen und Herren auf dem Gelände an der Stegermattstraße. Die überdachte Spielbahn gewährleistet unter allen Witterungsbedingungen optimale Spielverhältnisse.
In den Sommerferienwochen können Ferienkinder im Rahmen des jährlichen Ferienangebotes der Stadt Offenburg ihr Geschick bei diesem italienischen Nationalsport erproben. Mit großem Interesse lauschen die kleinen Gäste den fachkundigen Erklärungen über Abwurftechnik und Spielregeln. Bei den ersten „Wurfversuchen“ sind etwas Geduld, ein gutes Auge und Konzentration erforderlich, um die großen Kugeln genau an die kleine weiße Spielkugel zu platzieren.
Eine Menge vom südlichen Flair dieser beliebten Freiluftsportart ist hier bis heute erhalten. Damals wie heute – Boccia spielen heißt Zusammensein, aktive Bewegung und Wettkampf – verbunden mit viel Spaß. Auf unserer Vereinsanlage besteht die Möglichkeit, unter fachkundiger Anleitung erste Wurfversuche im Boccia-Spiel zu wagen. Spezielle Voraussetzungen sind nicht notwendig. In der Regel braucht ein Anfänger etwa ein Jahr um die Abläufe einigermaßen zu beherrschen.
Es erfordert eine gewisse Geduld, um nicht voreilig aufzugeben. Diese gesundheitsfördernde Freizeitsportart kann von Personen jeden Alters praktiziert werden. Interessierte haben die Möglichkeit, bei uns mehr über den Schwierigkeitsgrad des Bocciaspiels zu erfahren. Neben dem regulären Sportbetrieb fördern wir durch gesellige Veranstaltungen das Gemeinschaftsgefühl unter unseren Mitgliedern. Der 1. Boccia-Club e.V. Offenburg zählt heute zu den ältesten und erfolgreichsten Vereinen in der Stadt Offenburg.
* Update: 04. Mai 25 – Copyright Sven Steppat